Geschäftsmodell Müllvermeidung

02.02.2021
Geschäftsmodell Müllvermeidung

Sie haben die Wahl: Lesen Sie den Beitrag oder lauschen Sie dem Gespräch zwischen Stefanie Marx-Bleikert und unserer Autorin Elke Landschoof. Sie können natürlich auch beides tun! 

„BÜGGEL - bergisch unverpackt“ verzichtet auf Einwegverpackungen

Weg vom Schreibtisch und mehr in Kontakt mit Menschen - das war das Ziel von Stefanie Marx-Bleikertz als sie mit über 50 nach einer neuen beruflichen Herausforderung suchte. Die Möglichkeit, diesen Wunsch mit der ökologischen Verantwortung verbinden zu können, machte die Geschäftsidee perfekt: Am 3. November 2019 eröffnete „BÜGGEL - bergisch unverpackt“ in Bergisch Gladbach. Trotz eines schwierigen Corona-Jahres wird weiter expandiert.

„Das war bombastisch“, erinnert sich Stefanie Marx-Bleikertz. „Wir durften um 11 Uhr aufmachen und um 10.30 Uhr stand schon eine Traube von Menschen vor dem Laden. Das war echt Gänsehautfeeling.“ Dabei ist das Geschäft Ecke Grüne Ladenstraße/Paffrather Straße leicht zu übersehen. Deshalb hat die 53-Jährige schön frühzeitig damit begonnen, auf ihr Geschäft aufmerksam zu machen. „Sobald wir wussten, dass wir hier eröffnen, haben wir Werbung auf Social Media gemacht, auf Instagram und Facebook." Bei der Erinnerung daran fängt sie an zu schmunzeln. „Ich bin den jungen Menschen dankbar, die mich in die Geheimisse von Instagram eingeführt haben. Damit kannte ich mich nämlich vorher so gar nicht aus.“ 

Suche nach neuer Aufgabe

Mit der Pflege von Webseiten und Vertriebswegen kennt sich Stefanie Marx-Bleikertz allerdings gut aus. „Ich war mit einem Büroservice selbstständig und habe Dienstleistungen für kleinere Unternehmen angeboten.“ Doch davon hatte die studierte Sozialpädagogin irgendwann genug. „Ich war auf der Suche nach einer neuen sinnhaften Idee, weil für mich nach zwölf Jahren Büroservice klar war, dass ich nicht mehr am Schreibtisch sitzen möchte und wieder mehr mit Menschen machen möchte.“ Nach einer Coaching-Ausbildung wollte sie sich in diesem Bereich ein Standbein aufbauen, nahm aber nach einiger Zeit davon Abstand. „Es gibt einfach zu viele im Coaching-Bereich und man muss sich in diesem, ich sag mal Haifischbecken, sehr hervortun. Und das war nicht meins.“

Nachfrage gab den Ausschlag

Stefanie Marx-Bleikertz

Dann las Stefanie Marx-Bleikertz einen Bericht über Tante Olga, dem ersten Unverpackt-Laden in Köln. Je mehr sie sich mit dem Thema beschäftigte, desto spannender fand sie die Idee, zumal sie schon immer ein Interesse an ökologischen Themen hatte. Sie begeisterte ihre Tochter von der Idee und gemeinsam besuchten sie ein Online-Seminar für Gründer, dass von einem Unverpackt-Laden in Berlin angeboten wurde. Danach recherchierten die beiden und schrieben ihren Businessplan. Den eigentlichen Ausschlag für die Umsetzung eines eigenen Ladens waren dann ihre Erfahrungen am Zero Waste-Stammtisch, der sich in Bergisch Gladbach gegründet hat. „Da wurde klar, dass die Nachfrage da ist, dass Bergisch Gladbach mit der Einwohner- und Altersstruktur reif für einen Unverpackt-Laden ist.“

Gut beraten durch die RBW

Der Entschluss war das eine, dann ging es an die Umsetzung. „Herr Jacobsen von der RBW hat bei der Gründung beraten und unseren Businessplan gecheckt, bevor wir mit der Bank gesprochen haben.“ Neben dem Eigenkapital brauchte Stefanie Marx-Bleikertz einen Kredit und ist noch immer ganz angetan vom Service der Bensberger Bank. Die Suche nach den Räumen war etwas langwierig. Ursprünglich wollte sie nach Schildgen, doch da gab es nichts Passendes. Ein Ladenlokal an der oberen Hauptstraße in Bergisch Gladbach wurde anderweitig vergeben. Dann fand sie die Räume an der Paffrather Straße und ist ganz glücklich damit. „Es ist letztendlich eine gute Lage, weil die Miete nicht ganz so hoch ist wie auf der Hauptstraße.“ Im August 2019 meldete sie schließlich das Gewerbe an.

Wie der Laden zu seinem Namen kam

In der Planungsphase suchte Stefanie Marz-Bleikertz nach einem geeigneten Namen für ihr Geschäft. „Ich wollte ein Wort das zusammenbringt, was dieser Laden für mich ausmacht, nämlich bergisch und unverpackt.“ Doch irgendwie wollte ihr nichts einfallen. Auf einer Chorfahrt erzählte sie von ihren Plänen und fragte, ob nicht jemand eine Idee hätte. Ein Mitsänger brachte den Ausdruck Büggel, den kölschen und bergischen Ausdruck für Beutel ins Spiel. Die Gründerin und ihre Tochter waren begeistert. „Das ist einfach so ein Wort, mit dem ich groß geworden bin. Nur die Imis und ganz junge Leute können damit nichts anfangen.“

Unterstützung von Verband und Ehrenamtlern

Viel Unterstützung bekam Stefanie Marx-Bleikertz durch den Unverpackt Verband, einschließlich einer Lieferantenliste. „Das ist das Tolle in dieser Branche, die ist sehr kooperativ. Man lässt sich einfach so ein bisschen in die Karten schauen und das ist nicht üblich in der Wirtschaft.“ Das sei auch etwas, was hinter dieser ganzen Unverpackt-Idee stehe. „Nicht nur Müll zu sparen, sondern auch im Sinne der Sozialökonomie fairer miteinander umzugehen.“ Ganz praktische Hilfe erhielt die Gründerin von den Teilnehmern des Zero-Waste-Stammtischs, die mit anpackten wo es nur ging. „Ich hätte das alles gar nicht geschafft, wenn ich nicht die ehrenamtliche Hilfe dieser tollen Menschen gehabt hätte“, ist sie überzeugt.

Verändertes Einkaufsverhalten durch Corona

Die ersten Monate liefen gut. Dann kam Corona. „Der erste Lockdown war ziemlich hart. Wir hatten einen Kundenrückgang von an die 30 Prozent.“ Viele der Kunden dachten, der Laden sei zu, dabei durfte „BÜGGEL - bergisch unverpackt“ als Lebensmittelgeschäft weiterhin geöffnet bleiben. Auch den Mitarbeiter vom Ordnungsamt war das nicht so ganz bewusst, zweimal wollten sie das Geschäft schließen. Stefanie Marx-Bleikertz hatte vorgesorgt: „Ich habe es mir von der Stadt schriftlich geben lassen, dass ich berechtigt bin, offen zu haben.“ Aber auch als die Geschäfte wieder offen hatten, kamen die Kunden erst schleppend wieder. „Die Leute haben ihr Einkaufsverhalten in der ersten Lockdown-Phase komplett geändert. Sie haben im nahen Edeka, Lidl und Aldi eingekauft.“

Angebot verdoppelt 

Bis zu einem Dreivierteljahr habe es gedauert, bis die Kunden den Weg wieder in den Unverpackt-Laden fanden. „Das war eine harte Zeit“, sagt Stefanie Marx-Bleikertz rückblickend. Doch sie bleibt zuversichtlich, dass sich die Unverpackt-Idee durchsetzt und erweitert ihr Angebot stetig. „Gestartet sind wir mit 350 Produkten, jetzt bieten wir an die 700 an.“ Vor allem Erzeugnisse aus der Region hat sie neu ins Sortiment aufgenommen, um örtliche Anbieter zu fördern und Transportwege zu verkürzen: Kaffee und Bier aus Wermelskirchen, Biofleisch und Eier aus Kürten, Milchprodukte aus Leichlingen und Brot aus Bergisch Gladbach. 98 Prozent der Waren sind Bio. „Doch wir sind noch kein zertifizierter Bio-Laden, die Zertifizierung ist einfach sehr teuer und aufwendig“, stellt Stefanie Marx-Bleikertz klar. Dieses Projekt hat sie sich für 2021 vorgenommen.

Preisgestaltung und Rabatte

Bereits jetzt wird "BÜGGEL - bergisch unverpackt"
von Bio-Produzenten beliefert.

„Unverpackt einkaufen hat ja nicht nur den Ruf, sondern es ist tatsächlich teurer“, sagt Stefanie Marx-Bleikertz, Inhaberin von „BÜGGEL - bergisch unverpackt“. Zum einen seien Bioprodukte per se teurer. Auch lassen sich die Preise nicht mit Bio-Ladenketten vergleichen. „Da zahlen wir einfach mehr im Einkauf, weil wir nicht so große Mengen abnehmen können.“ Auch sei ein Unverpackt-Laden sehr personalintensiv, was auch umgelegt werden müsse. Die Preise liegen nach Einschätzung der Geschäftsfrau auf dem Niveau eines Inhabergeführten Bioladens. Zudem bietet „BÜGGEL - bergisch unverpackt“ auch Rabattmöglichkeiten. So bekommen dienstags Schüler, Studenten und Auszubildende 10 Prozent auf ihren Einkauf. Und es gibt die Kundenkarten. „Der Kunden zahlt 8 Euro pro Monat, dafür kann ich bei fast 80 Prozent unserer Produkte 20 Prozent Rabatt geben“, erklärt Stefanie Marz-Bleikertz. „Wenn man 40 Euro im Monat hier umsetzt, dann lohnt sich das.“

Entspannter einkaufen

Jeder neue Besucher wird persönlich begrüßt, durch den Laden geführt und bekommt das Sortiment sowie das System des Abwiegens erklärt. Wer keine eigenen Behältnisse dabei hat, kann sich beim Spendenkorb bedienen, wo gespülte Gläser mit Deckelverschluss bereitstehen. Der Laden ist freundlich, hell und übersichtlich.

In einem alten Apothekerschrank finden sich Hygieneartikel, die Töpfe mit Süßigkeiten und Gewürze befinden sich auf halbhohen beweglichen Regalen jeweils in der Raummitte. „Die kann man für Veranstaltungen beiseiteschieben, wenn es denn wieder möglich ist“, sagt Stefanie Marx-Bleikertz. Entlang der Wände hängen die Behälter mit Saaten, Nudeln und anderen Lebensmitteln. „Das Abfüllen braucht ein wenig Übung, aber letztendlich ist das Einkaufen viel entspannter hier“, so der Eindruck von Stefanie Marx-Bleikertz.

Offen für neue Ideen

Obst und Gemüse gehören nicht zum Standardangebot. „Das können die Kunden ja auf dem Markt oder im Supermarkt unverpackt kaufen“, sagt Stefanie Marx-Bleikertz. „Zudem fehlt mir die Lagerkapazität.“ Doch inzwischen können Kunden bei ihr einmal die Woche die Biokiste von Biogemüse Huppertz aus Kürten abholen, die sie dort bestellt haben. Nicht nur was Kundenwünsche angeht, ist Stefanie Marx-Bleikertz offen für Ideen, sie ist auch bereit, selber neue Wege und Risiken einzugehen: In dem neuen Edeka-Markt in Kürten-Dürscheid, der am 3. Februar eröffnet, wird es einen Unverpackt-Bereich geben. „Die Familie Hetzenegger hat sich richtig gefreut, als ich mit der Idee auf sie zugegangen bin“, erinnert sie sich. Hier werden die Lebensmittel angeboten, die erfahrungsgemäß am meisten nachgefragt werden.

„BÜGGEL - bergisch unverpackt“ auch in Kürten im neuen Hetzenegger Edeka-Markt

So sieht die BÜGGEL-Verkaufsfläche im Edeka aus

Haferflocken, Nudeln, Müsli, Reis, Gummibärchen sowie getrocknete Erdbeeren und Himbeeren – das sind Produkte, die ab 3. Februar in Kürten-Dürscheid auch ohne Verpackung eingekauft werden können, denn in dem neuen Hetzenegger Edeka-Markt gibt es auch eine Einkaufsfläche von „BÜGGEL - bergisch unverpackt“. „In der Anfangsphase werden meine Mitarbeiter vor Ort da sein und das System erklären“, sagt Stefanie Marx-Bleikertz, Inhaberin des Unverpackt-Ladens in Bergisch Gladbach. Kunden können die Lebensmittel in mitgebrachte Behälter abfüllen und so auf Verpackung verzichten.

Die Pressemeldung zur Neu-Eröffnung lesen Sie im RBW-Newsroom.

Text und Fotos: Elke Landschoof 
Foto Verkaufsfläche Kürten: BÜGGEL - bergisch unverpackt

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