Start-ups, Start-ins und die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand am Standort Rhein-Berg

16.05.2023
Start-ups, Start-ins und die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand am Standort Rhein-Berg

Rund 75 Unternehmerinnen und Unternehmer diskutierten bei der Bensberger Runde über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Potentiale.

Vorurteile abbauen, gegenseitiges Verständnis schaffen, Synergien ermöglichen – das hatte sich die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) anlässlich der Bensberger Runde im Schloss Bensberg auf die Fahne geschrieben. Gemeinsam mit der VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen, der Bensberger Bank eG, der Volksbank Berg eG und dem Althoff Grandhotel Schloss Bensberg hatte die RBW geladen, um in entspanntem Rahmen über den Einsatz von Start-up Methoden im Mittelstand zu diskutieren. Nach einer Begrüßung von RBW-Geschäftsführer Volker Suermann und dem Direktor des Grandhotels Schloss Bensberg Matthias Kienzle stellte RBW-Prokuristin Silke Ratte die Protagonisten des Abends vor - denn Innovationen können auf unterschiedliche Weise entstehen, wie die geladenen Gäste im Podium zeigten.

Sie hatten eingeladen (v.l.n.r.): Silke Ratte (RBW), Lothar Uedelhoven (VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen), Matthias Kienzle (Althoff Grandhotel Schloss Bensberg), Jürgen Füllenbach (Bensberger Bank eG), Kreisdirektor Dr. Erik Werdel, Helmut Vilmar (Volksbank Berg eG), Marcus Severin (Die KAFFEEMEISTER GmbH & Co. KG), Denis Agca (Vulcavo GmbH), Payman Supervizer (VoteBase GmbH), Volker Suermann (RBW), Thomas Büscher (VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen)

Payman Supervizer möchte mit seiner VoteBase GmbH, ansässig im TechnolgieZentrum Bergisch Gladbach, per App Wahlen digitalisieren. Entstanden ist die Idee für sein Start-up nach einer Runde mit Freunden, in der deutlich wurde, dass immer mehr Menschen der Sicherheit bei Wahlen und der Demokratie grundsätzlich misstrauen. „Auf Basis unseres Wissens aus der Cybersecurity haben wir dann gesagt, dann lass' uns doch eine Lösung bauen, die so sicher ist, dass man damit auch politische Wahlen bedienen kann“, sagt Supervizer – und die Idee für VoteBase war geboren.

Anders bei Denis Agca und seiner Vulcavo GmbH aus Overath: Eher zufällig ist die Plattform für digitale Eigentümerversammlungen und die Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung PANDION SERVICE in Köln entstanden. Agca hatte mit seiner ursprünglich gegründeten Web-Agentur der Kölner Hausverwaltung eine Website verkaufen wollen – die Verwaltung war aber vielmehr an einem digitalen Abstimmungssystem interessiert, um die Eigentümerversammlungen mit jeweils über hundert Eigentümern zu vereinfachen. So ist die Kooperation mit dem etablierten Mittelstand entstanden: „Wir haben gesagt, wir entwickeln die Plattform, die ihr nutzen könnt, und bringen das Projekt zur Marktreife und dafür brauchen wir Euch und Eure Expertise rund um den Hausverwaltungsbereich, um dann tatsächlich auch das fachliche und praktische Know-how mitzubringen“, so Agca. Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation von Start-up und etabliertem Unternehmen, denn „wir haben der PANDION die Innovationskraft geliefert und sie uns die Expertise und am Ende den Zugang zum Markt“, betont Denis Agca.

Das Podium komplettierte Marcus Severin von DIE KAFFEEMEISTER GmbH & Co. KG. aus Overath, der über die Entwicklung eines Geschäftsmodells aus dem bestehenden Unternehmen heraus berichten konnte. Das Start-in ist aus der Overather Soennecken eG hervor gegangen, von dem bestehenden Unternehmen initiiert und finanziert. Warum aber die Gründung eines ganz neuen Unternehmens? „Uns ist es wichtig, tatsächlich eine Marke zu etablieren. Außerdem haben wir uns gedacht, wir brauchen ein Geschäftsmodell für unsere Händler, denn die haben ja bereits einen guten Zugang zum Kunden, sie können Service. Also wollten wir ein Serviceumfeld schaffen für guten Kaffee. Deshalb haben wir das Ganze auch als Franchise-Konzept aufgesetzt“, betont Markus Severin. Grundvoraussetzung war bei der Gründung, dass die Idee mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betrieben wird, sagt Severin: „Manchmal hat man im Betrieb gute Ideen und dann macht man ein neues Projekt und dann fängt man an und dann kommt irgendwann das nächste Projekt. Für uns war wichtig, dass es das nicht sein soll. Deshalb haben wir die Kaffeemeister gegründet – das ist ein festes Team, das auch wie ein Start-up arbeitet. Das auch die Freiheit hat, andere Wege zu gehen und Strukturen auch mal aufzubrechen.“

Vorteile der Zusammenarbeit

Man wolle die Welten von etablierten Unternehmen und Start-ups im Rheinisch-Bergischen zusammenbringen, betonte auch Volker Suermann in seiner Einführung: „Möglicherweise entwickeln sich an diesen Schnittstellen spannende markt- und zukunftsfähige Innovationen.“ Wie gut das funktioniert, bekräftigen auch die Gründer im Podium. „Als Start-in ist das natürlich toll, dass wir von den Soennecken-Strukturen profitieren können. Wir können uns austauschen, denn wir haben in den einzelnen Bereichen einfach Profis, die uns weiterhelfen können“, sagt Marcus Severin. Zeitgleich pocht er aber auf Eigenständigkeit der Kaffeemeister: „Das ist ein eigenes Produkt, ein eigenes Unternehmen, das auch Erträge erwirtschaften soll und deshalb haben wir das auch ausgegliedert.“ Auch Denis Agca hebt die Symbiose zwischen seinem Start-up und der PANDION hervor: „Wir hätten das Produkt niemals allein so bauen können als Digital Natives, wir hätten komplett an der Praxis vorbei entwickelt. Andersherum hätte aber auch ein Start-in in der PANDION nicht funktioniert. So profitieren beide Seiten.“
Payman Supervizer hat schon für beide Seiten gearbeitet und kennt die flexiblen Prozesse eines Start-ups und mitunter sehr langwierige, strukturierte Prozesse in einem klassischen Unternehmen. Für ihn liegen die Vorteile einer Zusammenarbeit auf der Hand: „Das Start-up liefert dem Mittelstand eine schnelle Flexibilität und Herangehensweise an Probleme, die ich lösen möchte. Andererseits kann ich als Start-up auf Expertise zugreifen, die ich so am Markt oder in meiner Belegschaft nicht habe.“ Er sei für eine Kooperation mit dem Mittelstand offen, sagt Supervizer: „Wir kommen aus der Cybersecurity und haben auf dieser Basis eine Wahllösung entwickelt. Für den Mittelstand lassen sich daher auch Sicherheitsfragen mit VoteBase klären. Wir haben jahrelange Erfahrung in besonders kritischen Infrastrukturen und da können wir relativ schnell Anpassungen vornehmen.“

Eine gut besuchte Bensberger Runde mit interessierten Gästen aus dem Mitteltstand im Rheinisch-Bergischen Kreis

Gegenseitiges Verständnis und Offenheit

Von Seiten der Start-ups Kontakte zum etablierten Mittelstand herzustellen, sei aber nicht immer einfach, sagt auch Denis Agca: „Man hat kaum die Möglichkeit, an Unternehmen heranzutreten und ihnen etwas Interessantes vorzustellen. Der Tenor ist oft: Ja, wieder einer mit 'ner Idee!“ Er wünscht sich hier deutlich mehr Offenheit seitens der Unternehmen. Mit Widerständen hat auch Payman Supervizer zu kämpfen. Innovative Ideen rufen auch immer wieder Skeptiker auf den Plan: Die Wahl-App von VoteBase ist bei sämtlichen Kommunen auf positives Feedback gestoßen. Nur ein Landeswahlleiter hatte Bedenken und den Kommunen abgeraten, sagt Supervizer: „Der Vorgang landete im Wahlausschuss des Bundestages und die Abgeordneten sind von unserer Idee sehr angetan. Die Berliner haben dann den Austausch mit dem Land angeregt, weil es die Zukunft ist.“ Ein Beispiel dafür, mit wie vielen Hemmnissen Start-ups zu kämpfen haben. Einen berühmten Investor konnte VoteBase allerdings schon überzeugen: Manuel Neuer investiert in das Unternehmen aus dem Bergischen – VoteBase hat auch bereits digital über das Saisontrikot 23/24 von Manuel Neuer in Kooperation mit Adidas abstimmen lassen. „Das hat gezeigt, dass das System stabil ist“, sagt Supervizer. Er wünscht sich ähnlich wie Agca, dass der Mittelstand und Start-ups mehr aufeinander zugehen und Partnerschaften schließen.

Dabei betonte Denis Agca aber auch nochmals, dass eine Zusammenarbeit Geduld erfordere – es sei nicht immer einfach, wenn ein Start-up mit neuer Denke und Herangehensweise die Strukturen eines etablierten Unternehmens aufmische: „Wir haben in der Kooperation gelernt, dass das Unternehmen eine hohe Fehlertoleranz haben muss. Es muss eine hohe Akzeptanz da sein, dass die Dinge nicht von heute auf morgen passieren, also ein positives Durchhaltevermögen. Nicht direkt den Stecker zu ziehen, wenn etwas nicht sofort funktioniert.“
Marcus Severin sieht es ähnlich: „Man braucht ein professionelles Chaos, so dass Du weiter kreativ sein und weiter flexibel agieren kannst, gleichzeitig aber deine Prozesse und Themen professionell abarbeitest, dann entsteht eine WinWin-Situation und das ist im Kontext eines Start-ins super bereichernd.“
Sowohl bei den Kaffeemeistern als bei Vulcavo stehen die Zeichen auf Wachstum am Standort: Vulcavo ist jetzt ganz neu in den österreichischen Markt eingestiegen, bei den Kaffeemeistern wolle man jetzt verstärkt expandieren und neue Franchise-Partner ins Boot holen. Anders bei VoteBase: Payman Supervizer orientiert sich mit seiner App auch Richtung Ausland und kann sich für sein Start-up auch einen Exit vorstellen.

Gute gelaunte Podiumsteilnehmer (v.l.n.r.): Denis Agca, Payman Supervizer, Marcus Severin

Unterstützung von der RBW: Mittelstand und Start-ups zusammenbringen

„Die RBW ist großer Treiber dessen, dass ich mit meinem Unternehmen heute hier so stehe, wie wir sind“, lobt Denis Agca die Hilfe seitens der Wirtschaftsförderung. Die RBW habe dazu beigetragen, dass sein junges Unternehmen in Förderprogrammen zur Digitalisierung registriert wurde und so Kunden gewinnen konnte. Sein Wunsch an die RBW: Dranbleiben und noch mehr Kontakte herstellen zwischen Unternehmen und Start-ups. Diesen Wunsch bekräftigte auch Payman Supervizer.
Dazu äußerte sich auch Roman Laufenberg, den Moderatorin Silke Ratte spontan auf das Podium bat. Auch er konnte von seinen Erfahrungen zur Gründung eines Start-ins berichten, das aus der Overather RLE International GmbH entstanden ist und sich nun bei der international tätigen Firmen-Gruppe um das Problem hybride Arbeit kümmert. Inzwischen hat das neue Unternehmen seinen Sitz in Berlin – aber auch Laufenberg plädiert dafür, Welten zu verbinden und so von unterschiedlichen Expertisen zu profitieren.

Und die ersten positiven Resonanzen kamen auch direkt in der offenen Diskussion: Henning Schmidt vom Unternehmen Schmidt-Rudersdorf in Bergisch Gladbach zeigte sich interessiert an einer möglichen Zusammenarbeit mit einem Start-up: „Als Mittelstand, der vielleicht nicht so agil und schnell unterwegs ist, kann man da sicher sehr von profitieren. Da muss man es vielleicht auch mal auf ein Wagnis ankommen lassen. Ich glaube, man sollte sowas auch mal riskieren.“ Gleichzeitig wolle er den Abend aber auch nutzen, um sich über die Idee des Start-ins auszutauschen. „Wir versuchen gerade, uns auf Projektbasis mit neuen Betriebswegen zu befassen, ergänzend zum klassischen Handelsgeschäft. Vielleicht ist ein Projekt da gar nicht der richtige Weg, weil man gewissen Restriktionen unterliegt – daher finde ich den Start-in-Gedanken sehr spannend“, äußerte sich Henning Schmidt. Anders Julian Supe-Dienes, Geschäftsführer in der vierten Generation bei den Dienes-Werken in Overath. Er sagt, dass es zur Zielsetzung und ins strategische Konzept passen muss. „Start-ups und Start-ins können eine super Option sein, wenn es zum übergeordneten Fahrplan passt – es ist also keine pauschale Lösung. Ich würde es also eher der Zielsetzung unterordnen, aber als interessantes Feld sehen“, betont Supe-Dienes.

Beim Get-together wurden bereits viele Kontakte aufgenommen und Ideen diskutiert 

Dass es ein interessantes Feld ist, wurde in der Bensberger Runde für alle Beteiligten deutlich. In der Zusammenarbeit zwischen innovativen Gründungen und dem Mittelstand sieht auch die RBW große Chancen für den Rheinisch-Bergischen Kreis. Ziel sei es jetzt, die Start-ups und etablierten Unternehmen noch intensiver zu vernetzen – hierfür wird die RBW entsprechende Plattformen entwickeln. Die Bensberger Runde war dafür ein schöner Auftakt und viele Ideen und Anfragen aus dem Mittelstand wurden bereits an die RBW herangetragen. „Wir sind vielleicht nicht so hip wie die großen Metropolen, dafür ist die individuelle Betreuung intensiver und die Vernetzung einfacher“, betonte auch Silke Ratte zum Abschluss des Podiums.
Und manchmal hilft auch der Zufall, wenn ein Mittelständler plötzlich auf das richtige Start-up trifft und man auf Basis eines gemeinsamen Spirits etwas Neues entwickelt, von dem man noch gar nicht wusste, dass man es braucht. Erste Kontakte sind beim anschließenden Get-together im Schloss Bensberg vielleicht schon geknüpft worden.

Autorin: Nicole Schmitz

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