„Es wird nicht mehr wie früher!“

25.11.2020
„Es wird nicht mehr wie früher!“

Ob in der Lanxess-Arena oder im Grandhotel Schloss Bensberg – das Geschäft mit Veranstaltungen ist derzeit mehr als schwierig. Stephan Graeske und Kolja Marx haben beschlossen, nicht auf bessere Zeiten zu warten. Wie die beiden Geschäftsführer ihre Unternehmen durch die Krise geführt haben und warum sie positiv in die Zukunft blicken.

Ein Gesrpäch mit der Graeske Audio Visual GmbH und der AVP event technolgies GmbH

Die Graeske Audio Visual GmbH bietet seit 1997 Lösungen von der Beratung, über die Planung bis zur Durchführung von Events an. Sie ist im Jahr bei über 500 Veranstaltungen und Projekten beteiligt, unter anderem in Lanxess-Arena und großen Hotels. Das Unternehmen besitzt einen umfangreichen, hochmoderner Bestand an Audio-, Video-, Licht- und Bühnentechnik und einen eigenen Fuhrpark. Der Meisterbetrieb bildet selbst aus.

Die AVP event technologies GmbH ist Technikdienstleister für Veranstaltungen mit eigenem Equipment und bietet Konzeptplanungen für Festinstallationen von Medientechnik. Spezialisiert ist AVP auf die Inhouse Partnerschaft für Konferenzhotels & Veranstaltungsstätten (Inhouse Partner vom Grandhotel Schloss Bensberg) sowie den bundesweiten technischen Support namhafter Unternehmen.

„Sehr gut!“, antwortet Stephan Graeske auf die Einstiegsfrage, wie es ihm geht. Ein wenig überraschend, gehört doch die Veranstaltungsbranche zweifelsfrei zu denen, die durch die Corona-Pandemie am härtesten getroffen sind. Doch der Geschäftsführer hat sein Unternehmen durch einen kurzen und konsequenten Changeprozess geführt.

Die großformatigen Fotos von Veranstaltungen, die die Wände im Bergisch Gladbacher Büro der Graeske Audio Visual GmbH zierten, sind ersetzt durch Wandbilder mit Worten; zum Beispiel „Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Ausreden.“ Denkmuster, das mind set, seien noch wichtiger als die technischen Kompetenzen, ist Graeske überzeugt.

„Wir haben hier gerade eine Start-up-Mentalität. Wir bauen einen neuen Markt auf“, sagt der Diplom-Ingenieur. Aus dem Veranstaltungstechniker mit Bühne, Licht und Ton für viele tausend Zuschauer wurde innerhalb weniger Monate ein IT-Unternehmen. „Die Frage war ganz einfach“, sagt Graeske „Insolvenz oder kompletter Change.“

Aufbruch in die „neue digitale Welt“

Die ersten Monate ab März waren seine Mitarbeiter zu hundert Prozent in Kurzarbeit. Dann begann der Wandel. Schon vor der Krise lag der Schwerpunkt der Graeske GmbH auf dem in Szene setzen des gesprochenen Wortes: Messen, Versammlungen, Seminare und ähnliche Sprachveranstaltungen. Sie alle finden schon länger wieder statt – nun aber online.

Graeske investiert in Technologie und Know-how: ein eigener hoch performanter Server im Rechenzentrum, die Flexibilität, jede vom Kunden gewünschte Plattform bedienen zu können, neue Features der Interaktion und des Networkings und die einfache Integration der neuen Technologie in die Homepage des Kunden. Know-how wurde eingekauft, die eigenen Mitarbeiter weitergebildet. „Inzwischen haben wir fast alle in die neue digitale Welt mitgenommen“, sagt Stephan Graeske.

Was sich Stephan Graeske vom Staat gewünscht hätte:

Mehr Planungsfähigkeit
Die immer wieder geänderten Regeln, etwa zur Soforthilfe, waren mental sehr schwierig. Das bedeutete, nie richtig planungsfähig zu sein und immer wieder umdenken und anpassen zu müssen.

Mehr finanzielle Sicherheit
Die Verschiebung der Insolvenzantragspflicht auf Januar ist für uns ein deutlicher Zuwachs an Risiko. Wir wissen heute nicht, welcher Kunde im Januar unsere Rechnungen noch bezahlen kann. Selbst großzügige 10% Skonto werden teilweise nicht in Anspruch genommen.

Flexiblere Regeln bei Kurzarbeit
Wir haben unser Geschäftsmodell komplett verändert. Mit der Konsequenz, dass wir zusätzliches Know-how brauchten, insbesondere im IT-Bereich. Einen IT-Spezialisten einzustellen, bedeutete jedoch, dass wir für ausnahmslos alle Mitarbeiter auf Kurzarbeit verzichten müssten.

Von 100 auf null und die Sache mit dem Abwarten

Die AVP event technologies GmbH von Kolja Marx hat Büro und Lager im Grand Hotel Schloss Bensberg. Mit seinem langjährigen Hauptkunden und dessen Kundschaft verbindet den Unternehmer mehr als nur der Umsatz. Für 2020 war die Abbildung der Konferenzräume in einem virtuellen Raum mit 360 Grad-Ansichten geplant. Dann kam der Lockdown – nicht nur für Kolja Marx, sondern auch für Schloss Bensberg. „Das war von 100 auf null“, sagt Marx. „Wir waren erst mal geschockt und dachten: wird sich schon wieder einspielen.“ Doch irgendwann waren alle Wände gestrichen, alle Geräte repariert, alles aufgeräumt und es hatte sich nichts geändert. Im Gegenteil: Nun wurden auch schon Veranstaltungen für die nächsten Monate abgesagt.

Lösungen für Pandemie wichtiger als Technik

Am 1. September öffnete Schloss Bensberg wieder. „Es war erstaunlich, wie viele doch ihre Events durchziehen wollten“, sagt Kolja Marx. Wieder arbeiten zu können gab ihm, eingebettet ins Team vom Schloss, enorme Motivation, die neuen Herausforderungen kreativ zu lösen. Größere Events wurden auf verschiedene Räume verteilt. Plötzlich spielte das Wetter eine entscheidende Rolle, weil Vortragende nicht in geschlossene Räume kommen wollten. Zunehmend wurden externe Teilnehmer online zugeschaltet. Bei einer Hochzeit übertrug das Team die Trauung per Video auf die Bel Etage. „Das war total schräg“, erzählt Marx. „Wir haben 150 Meter Kabel oben aus dem Turm heraus, um das Hotel herum und am Balkon wieder hoch laufen lassen. Bei einer solchen Feier will man die Technik ja nicht sehen.“

Auch Stephan Graeske bietet seinen Kunden nicht nur technische Lösungen, sondern Lösungen für eine Pandemie. Für den Studiobetrieb – egal an welchem Ort – bringt das Graeske-Team Luftfilter mit sowie ferngesteuerte Kameras, um Kontakte ersten Grades zu vermeiden. So können die Redner allein im Raum sein. „Das ist den Kunden wichtiger als die Technik“, sagt Graeske. Das Fernsteuern funktioniert selbst vom Firmenstandort aus – so hat der Kunde Sicherheit, dass sein Online-Event stattfindet, selbst wenn Graeske-Techniker in Quarantäne müssten.

Keine heile Welt, aber genutzte Chancen

Stephan Graeske und Kolja Marx arbeiten auch gemeinsam in Projekten. „Das ist Gold wert“, sagt Marx. Beide sind sich bewusst darüber, dass sie mit ihren Spezialisierungen auf Sprachveranstaltungen beziehungsweise Hotellerie- und Inhouse-Service einen immensen Vorteil in der Branche haben gegenüber etwa Bühnen- oder Zeltbauern oder jenen, deren Standbeine Konzerte, Karneval oder andere große Teilnehmer-Events sind. Der Kontakt und Austausch innerhalb der Branche sei derzeit groß.

Beide Unternehmen haben investiert in Equipment und Fachpersonal. „Alles andere hätte uns nicht weitergebracht“, sagt Kolja Marx. Derzeit hat Schloss Bensberg wieder geschlossen. „Wir backen jetzt kleinere Brötchen und dann wird’s auch wieder besser“, sagt er. Auch Stephan Graeske sieht bei allem Erfolg noch „keine neue heile Welt“. Die Umsätze seien nur ein Bruchteil der gewohnten. Die Mitarbeiter müssen trotzdem bezahlt werden. Die Lagerhalle steht voll mit teurem Material, das – jetzt oder für immer – nicht mehr gebraucht wird, aber weiterhin Geld kostet. Kaufen möchte es gerade auch niemand. „Finanziell ist das sehr übel“, sagt Graeske und spricht von einem Betrag in sechsstelliger Höhe. Als Verlust möchte er diesen aber nicht sehen. „Es ist ein Investment in Change und neue Möglichkeiten“, sagt er.

Nach Corona wird nicht wie vor Corona

Davon abgesehen glaubt Stephan Graeske, dass die Krise die ohnehin anstehende digitale Transformation nur beschleunigt habe. „Es wird nicht mehr wie früher“, sagt er und geht davon aus, dass auch die Kunden zurückkommen werden, die bislang darauf gewartet haben, dass alles vorbei geht. Sein Blick in die Zukunft? „Wir wollen führend in der neuen Welt sein. Und selbst wenn die alte Welt zurückkäme, könnten wir sie bedienen – noch steht das Lager ja voll.“

Kolja Marx, der ein anderes Geschäftsmodell hat, glaubt, dass vieles zurückkommen wird. „Aber es wird anders sein“, sagt er. „Die Kunden haben gesehen, dass die technischen Möglichkeiten funktionieren. Diese werden zur normalen Ergänzung werden.“

Und die Emotionen? Bei Graeske herrscht Aufbruchstimmung. Der Blick geht nach vorn, die Einstellung ist positiv. Das motiviert. Das „Sehr gut!“ auf die Einstiegsfrage klingt authentisch. Kolja Marx haderte mit sich, ob er überhaupt in der Branche bleiben solle. Doch dann kamen September und Oktober. „Dieses tolle Team, diese tolle Location, mal wieder zu zeigen, was man eigentlich drauf hat, das positive Feedback…das hat mir gezeigt, dass es das ist, was ich gut mache. Ich ziehe das durch!“

Fotos: Graeske audio Visual GmbH und AVP event technolgies GmbH
Autorin: Karin Grunewald

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