Aus Krisen lernen – der Blick nach vorn

07.10.2021
Aus Krisen lernen – der Blick nach vorn

Erst Pandemie, dann Hochwasser – so manches Unternehmen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis war von den Krisen der letzten Zeit extrem betroffen. Gemeinsam mit der VR Bank Bergisch Gladbach-Leverkusen, der Bensberger Bank und der Volksbank Berg hatte die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) zur 8. Bensberger Runde vier Unternehmerinnen und Unternehmer eingeladen, vor rund 70 führenden Wirtschaftsvertretern aus der Region ihre Erfahrungen zu teilen – auch um ein Fazit für die Zukunft ziehen zu können.
Ein strenges Hygienekonzept und besondere Rahmenbedingungen ließen es nach der langen Pause am 31. August 2021 zu, dass man sich wieder zu dem exklusiven Strategiegespräch des Wirtschaftsstandortes Rheinisch-Bergischer Kreis – traditionell im Grandhotel Schloss Bensberg – treffen konnte.

RBW-Geschäftsführer Volker Suermann erklärte die
Angebote der Wirtschaftsförderung

Nicht nur der RBW-Geschäftsführer Volker Suermann freute sich über die erste größere Veranstaltung seit langem. Nach seinem Überblick darüber, mit welchen Problematiken die unterschiedlichen Branchen der Region zu kämpfen hatten, erklärte er, dass der Fokus der Wirtschaftsförderung eindeutig auf der bestmöglichen Unterstützung von Betrieben sowohl hinsichtlich der Pandemie als auch der Hochwasserkatastrophe liegt.
Zwar gäbe es in solchen Krisen auch für die RBW keine Blaupause, doch mit umfassenden Informationsseiten, weitgehenden Beratungsangeboten, der neuen digitalen Kommunikationsplattform „Rhein-Berg Connect“, Gründung der Initiative „Neustart Rhein-Berg“, einer Marketingkampagne „Gemeinsam geht’s bergauf“, zahlreichen Einzelgesprächen – und nicht zuletzt mit der Veranstaltung heute, zeigte Volker Suermann das Engagement der RBW in den letzten anderthalb Jahren auf.

Das Podium der Bensberger Runde

Wie sind die Podiumsteilnehmer mit der Situation umgegangen? Was beschäftigte sie während dieser Zeit? Welche Lehren haben sie aus der Krise gezogen? Was würden sie besser machen, was anders? „Aus Krisen lernen, der Blick nach vorne“ – das war das Thema der Veranstaltung und zur Diskussion begrüßte der Gastgeber diese Gäste: Kim Bauer, Geschäftsführerin der Netempire Software GmbH aus Rösrath-Hoffnungsthal, Dorothea Wahle, Geschäftsführerin der Wilhelm Daume GmbH aus Bergisch Gladbach-Schildgen, Stefan Büscher, Geschäftsführer der Gebr. Büscher Brenn- und Baustoffe GmbH aus Overath und Frank Kasper, Geschäftsführer der contour Veranstaltungsservice GmbH aus Bergisch Gladbach-Obereschbach.
Silke Ratte, als Prokuristin der RBW auch verantwortlich für Standortmarketing und Öffentlichkeitsarbeit, führte als Moderatorin durch den Abend.

Ist die IT der Gewinner der Krise?

Einen interessanten Einblick lieferte Kim Bauer, die gleich drei Geschäftsführungspositionen innehat und sich so mit einer erheblichen Summierung komplett unterschiedlicher Anforderungen und deren mangelnder Planbarkeit konfrontiert sah.
Neben der Geschäftsführung bei Netempire, die IT-Firma feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum, ist sie Mitglied im Vorstand einer Beteiligungsfirma und in der Geschäftsführung des Unternehmenscampus Haus Staade. Die Beteiligungsfirma hat mitunter Gesellschaften im medizinischen Bereich, die durch die Pandemie einen Schub erfuhren. Aber es gibt auch Beteiligungen bei start-ups, denen teilweise die gesamte Geschäftsrundlage entzogen wurde.
Dem IT-Bereich, den man als Gewinner der Krise vermutet, ging es im letzten Jahr tatsächlich sehr gut, jedoch am Ende auch nur in dem Maße, wie den Auftraggebern selbst. Netempire hatte es kundenseits mit Börsengang-Verschiebung, Projekt-Einstellungen und Budget-Zurückstellungen zu tun. Außerdem förderte die Krise ein neues Phänomen zutage: Das Software-Unternehmen sah sich mit echtem Abwerbedruck ihrer Mitarbeiter durch große Konzerne konfrontiert und erhielt zusätzlich die Erkenntnis, wie sehr das Thema Sicherheit für die Mitarbeiter wieder an Bedeutung gewonnen hat. „Ich glaube, wir müssen alle schauen, wo unsere Nischen sind. Da würde ich die IT nicht herausnehmen. Man muss in jedem Bereich den Blick auf den Markt erhalten. Sich auf dem „Ist-Zustand“ auszuruhen, auch wenn der noch so gut ist, wäre fatal. Ich selbst bleibe auf Hab-Acht und möchte vorbereitet sein,“ resümiert Bauer.

Not macht erfinderisch

Als Geschäftsführerin eines Einzelhandelsfachgeschäftes für Haus- und Küchengeräte erlebte Dorothea Wahle besonders die Wettbewerbsverzerrung als große Herausforderung. Eigene Produktgruppen wie Gartenmöbel, Deko-Accessoires oder Fahrräder beispielsweise konnten die Kunden während des Lockdowns in großen Supermärkten oder im Baumarkt kaufen – und der Einzelhandel ging leer aus. Doch dass bei Daume immer schon der Service-Gedanke großgeschrieben wird, zahlte sich während der Corona-Krise aus: Die Stammkunden blieben „ihrem Daume“ treu und überlegten zudem, was sie zur Unterstützung des Geschäftes noch kaufen könnten. Dafür wurden sie auch per Videochat beraten und konnten QR-Codes für den Online-Shop im Schaufenster scannen. Denn der Online-Auftritt, den Daume bereits seit 2017 als Internet-Filiale aufgebaut hat, hat als externes Schaufenster in Corona gut funktioniert.
Heute sieht Wahle die Verfügbarkeit der Waren als drängendstes Problem. „Da muss man erfinderisch sein und unter Umständen Geräte bundesweit abholen, um sie dem Kunden liefern zu können."

Mit welchen Problemen kämpften systemrelevante Unternehmen?

Stefan Büscher ist natürlich dankbar, dass sein Baustoffhandel als systemrelevantes Unternehmen eine Sonderstellung einnahm und das Geschäft durchgängig geöffnet halten konnte. Hier sorgte der Run der Privatleute auf den Fachhandel für Bau- und Gartengestaltung für eine erhebliche Belastung seiner Mitarbeiter. Am meisten beschäftigte sich der Geschäftsführer allerdings damit, die sich ständig wechselnden Verordnungen wie click&meet, click&collect etc. einzuhalten und zu erruieren, welche Konsequenzen diese auf das Tagesgeschäft und innerbetrieblichen Abläufe hatte.
Ansonsten konnte Büscher die Zeit gut nutzen, um geplante Umbaumaßnahmen des Unternehmens durchzuführen – nur die Einweihungsfeier konnte bisher noch nicht stattfinden. Derzeit liegt die größte Aufgabenstellung des Baustoffhandels in der Materialverfügbarkeit und der Preissteigerung. Büscher appelliert an die Rückbesinnung darauf, die Produktion wieder ins Land zu holen, „… damit wir nicht mehr so abhängig sind.“ Aus dem Publikum stimmt Fred-Arnuld Busen, Geschäftsführer der Polytron Kunststofftechnik, zu: „Mehr in Deutschland und Europa zu produzieren – das ist ein wesentlicher Punkt. Aber produzierendes Gewerbe braucht auch Regelungen, auf die man sich verlassen kann.“

Von 100 auf null von heute auf morgen

Eine Sonderstellung in die entgegengesetzte Richtung nimmt sicherlich die Veranstaltungsbranche ein, und Großveranstaltungen sind das Kerngeschäft von contour, die ab Mai 2020 komplett abgesagt wurden – von 100 Prozent auf null sozusagen. „Mit Ersatzveranstaltungen wie Comedy-drive-in, Autokino und Streaming haben wir versucht, das Beste daraus zu machen. Immerhin kamen so noch 10 bis 30 Prozent zusammen. Doch das, was uns bis heute am meisten beschäftigt ist die Perspektivlosigkeit,“ schildert Geschäftsführer Frank Kasper. Es gibt zwar Einzelprojekte, die Mut machen, wie beispielsweise das Fußballstadion, das mit 20.000 Menschen gefüllt wird. Aber 20.000 Leute dürfen wiederum beim Marathon nicht durch Köln laufen. „Das hat mit den 300.000 bis 500.000 Zuschauern zu tun, die an der Strecke stehen, das verstehen wir! Dennoch ist es schwierig, damit umzugehen.“
Hinzu kommt, dass für große Events die Vorlaufzeit ein bis anderthalb Jahre beträgt. Momentan ist alles ins Jahr 2022 verschoben worden. „Bloß, so viele Menschen gibt es gar nicht, die im kommenden Jahr alle Veranstaltungen besuchen könnten!“
Wie viele andere Unternehmen auch hat contour neben seinem Alternativprogramm die Zeit genutzt, um den Workflow und das neue Firmengebäude zu optimieren. „Wir haben in Nachhaltigkeit wie Photovoltaik und E-Mobilität investiert und arbeiten daran, Ende des Jahres klimapositiv zu sein – das ist auch etwas Gutes.“
Mit 36 Jahren im Geschäft hat Kasper schon einige Krisen erlebt. So konnte er jüngeren Kollegen und den sehr gebeutelten Soloselbstständigen aus der Branche unter die Arme greifen und Unterstützung leisten. Drei Mitarbeiter konnte contour einstellen.

Erste Lehren

„Corona war für den Einzelhandel ein Brennglas,“ bestätigt Dorothea Wahle als Mitglied im Vorstand des Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen Rheinland. „Ich glaube, Händler, die kreativ waren, konnten sich in der Pandemie behaupten. Und diejenigen, die meinten es ginge nicht anders als bisher, mussten sich verabschieden.“ Der Abend der 8. Bensberger Runde schenkte kleine feine Einblicke in unterschiedlichste Bereiche und man konnte einen roten Faden im Umgang mit der Pandemie erkennen: Dinge umsetzen, die man immer schon angehen wollte, kreativ und schnell sein, den Markt beobachten, möglichst vorausschauend handeln, keinesfalls den Kopf in den Sand stecken. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel, sondern für sämtliche Bereiche der Wirtschaft.

Wenn Mitarbeiter stolz machen und Nachbarschaft hilft

Martin Geveke, Geschäftsführer der
ASLAN Selbstklebefolien GmbH, Overath

Neben der Corona-Krise hatten auch einige Unternehmen aus der Region mit dem Hochwasser zu kämpfen. Martin Geveke, Geschäftsführer von ASLAN, dem Hersteller hochwertiger Selbstklebeprodukte aus Overath, berichtet, dass zwar Produktion und Lager flächig unter Wasser gestanden habe und ohnehin knappe Rohstoffe vernichtet wurden, ASLAN aber aus seiner Sicht mit einem blauen Auge davongekommen ist. Für ihn hat sich etwas Besonderes herauskristallisiert. „In diesen Situationen erkennt man, auf wen man sich verlassen kann. Unsere Belegschaft, die in einer Woche alles wiederhergerichtet hat, die macht mich stolz. Und es hat mir gezeigt, dass wir mit den richtigen Leuten unterwegs sind.“

Jörg Mika, Geschäftsführer der mika:timing GmbH,
Bergisch Gladbach

Ein Meter tief standen die ebenerdigen Lagerräume mit dem Equipment und sämtliche Büros bei Mika Timing im Strundepark in Bergisch Gladbach unter Wasser. Doch trotz des Umstandes erkennt der Geschäftsführer des Anbieters individueller Hard- und Software-Lösungen für Sportveranstaltungen, Jörg Mika, etwas Gutes: „Wäre die Flut nicht jetzt in der Coronazeit passiert, hätte es uns noch schwerer getroffen. Denn genau zu diesem Zeitpunkt finden normalerweise die großen Marathons statt.“ Außerdem erfuhr Mika Timing, wie wichtig Nachbarschaftshilfe und Vernetzung ist: Ihr übriges Equipment konnten sie in einem leerstehenden Autohaus in Bergisch Gladbach unterbringen.

Vernetzung ist so wichtig – da kann die RBW unterstützen!

Franz Peter Rott, Geschäftsführer der Witte Group
GmbH & Co. KG, Wermelskirchen/Münster

Franz Peter Rott, Geschäftsführer der Witte Group, einer der führenden Industrie- und Sicherheitsdruckereien aus Wermelskirchen, bringt schließlich einige Themen auf den Punkt: „Als Unternehmer wartet man nicht auf Regelungen – man geht nach vorn und macht. Aber es ist wichtig, Allianzen zu schließen, ohne dabei die eigene Wettbewerbsposition aufzugeben. Einfach aufeinander zugehen und zusammenhalten, das wäre mein Apell. Dafür ist eine Veranstaltung wie heute sehr hilfreich.“
Und genau das kann, will und wird die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderung weiterhin unterstützen. In guten und in schlechten Zeiten.

Autorin: Birgit Franke
Fotos: Klaus Lawrenz
Titelfoto (v.l.n.r.): Alexander Litz (VR Bank Bergsich eG Gladbach-Leverkusen), Helmut Vilmar (Volksbank Berg eG), Silke Ratte (RBW), Volker Suermann (RBW), Jürgen Füllenbach (Bensberger Bank eG)

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Telefax: +49 2204 9763-99

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